29.10.2019 — 12.01.2020 | Dienstraum

Chris Hunter
Amore Roma

Dienstraum #8

Auf Einladung der SBB bespielt das Kunstmuseum Olten einen ehemaligen Dienstraum auf dem Perron 7 neben dem legendären Bahnhofsbuffet mit zeitgenössischer Kunst. Die achte Intervention von Chris Hunter (*1983) ist bewegliches Bild, Skulptur, Rauminstallation und modellhafte Bühne zugleich und vereint damit verschiedene Aspekte seiner künstlerischen Praxis.

Der in Chur und Flims aufgewachsene und seit 2011 in Basel lebende Künstler arbeitet parallel an mehreren Werkgruppen und in diversen Medien. Neben der Auseinandersetzung mit Fundstücken, die er als Readymades in neue Zusammenhänge überführt, beschäftigt er sich mit Zeichnung und Malerei und ist als Performer und Kurator tätig. Zudem gestaltet er Ausstattungen für Theaterprojekte.

Chris Hunter (*1983)
AMORE ROMA, 2019
OSB-Platten, Holz, Acryl, Dispersion, Metall, Nylonschnur
ca. 150 x 210 x 250 cm (variabel)
Leihgabe des Künstlers

Die bühnenhafte Installation «AMORE ROMA» bietet zuerst einmal der Malerei einen Auftritt. Sie regt zur Reflexion darüber an, wie diese im Raum erscheinen kann und wie sich ihre Gebundenheit an eine Oberfläche oder an Inhalte thematisieren und unterlaufen lässt. Je nach Blickwinkel generiert die in den Raum gebaute Malerei andere Bilder. Sie verweist auf Gegenständliches und betont zugleich den Eigenwert von Farbe, Form und Fläche.  weiterlesen

Hunter platziert die amorphe «Rauminsel» auf hölzernen «Schienensträngen» und lässt darauf wie im Marionetten-Theater zwei gegensätzlich konzipierte Figuren auftreten. Damit spiegelt er die Situation der Betrachtenden auf dem Perron und lädt zum Überdenken von Verhaltensmustern im realen Raum ein.

Dem farbenfrohen Objekt haftet etwas Provisorisches an. Die Position der beiden Klappen liesse sich durch Bewegen der Schnur verändern, und die Kistenverschlüsse entlarven die Zerlegbarkeit des Werks. Diese Instabilität, die den aktuellen Zustand als nur einen unter mehreren möglichen charakterisiert und somit ein Vorher und Nachher impliziert, berührt einen wichtigen Aspekt von Hunters Schaffen. «Meine Arbeit soll eine Ahnung davon erzeugen, was hinter, vor und zwischen den Dingen liegt und uns den Weg dahin spazieren lassen», meint der Künstler und verweist damit auf sein Interesse an Dingen, die uns aufgrund ihrer Beschaffenheit, ihres Standorts oder ihrer uneindeutigen Funktion Rätsel aufgeben und so unsere Imagination in Gang setzen.

Assoziationen zu Spielzeug oder zur nonkonformistischen Ästhetik des Memphis-Designs aus den 1980er-Jahren führen zur Frage, warum Dinge oder Räume – etwa am Bahnhof – so und nicht anders gestaltet sind, woher standardisierte Lösungen kommen und was uns dazu befähigt, Funktionalitäten, Wertigkeiten oder Handlungsangebote von Objekten und Interieurs zu entschlüsseln.

Und der Titel «AMORE ROMA»? Ein Sehnsuchtsmotiv, das den Wunsch nach menschlicher Nähe mit Fernweh verbindet? Vor- und rückwärts gelesen ergibt das Palindrom denselben Sinn. Wie aber verhält es sich mit der Bahnstrecke Olten–Rom? Ist es wirklich dieselbe wie Rom–Olten? Oder zielt die ‹Wortschaukel› auf Symmetrie und Balance? Wie steht es denn gerade um Ihr persönliches Gleichgewicht, und welche Bedeutung hat Ebenmass für Ihr Schönheitsempfinden?

Die Werke von Chris Hunter wirken leichtfüssig, gerade weil Fragilität ihre Ruhe gefährdet und weil Abweichungen von der Symmetrie sie beleben.

Der «ältere Bruder» von «AMORE ROMA», eine Wandinstallation mit dem Titel «no lemon – no melon» ist im Bündner Kunstmuseum in Chur in der Jahresausstellung der Bündner Kunstschaffenden (25. November 2019 bis 26.1.2020) zu sehen.

Künstler*innen

Chris Hunter (*1983)

ist in Flims und Chur aufgewachsen. Seit 2011 lebt er in Basel, wo er 2013 den Bachelor und 2019 den Master of Arts in Fine Arts an der Hochschule der Künste erlangt hat. Er arbeitet parallel an mehreren Werkgruppen und in verschiedenen Medien. Neben der Auseinandersetzung mit «patinierten» Readymades, Assemblagen und installativen Serien beschäftigt er sich mit Zeichnung und Malerei und ist als Performer (auch in Kooperation mit Alexandra Meyer oder Les Reines Prochaines) und Kurator (u. a. im Basler Kollektiv Dr. Kuckucks Labrador) tätig.

In seiner Installation für den Dienstraum verschränken sich diese Handlungsfelder. Seit 2011 beteiligt sich Hunter regelmässig an Ausstellungen im In- und Ausland. 2017 hat er seine erste Kunst am Bau Arbeit in der Kantonsschule Graubünden realisiert. Für sein Schaffen wurde er mehrfach mit Preisen ausgezeichnet, zuletzt 2017 mit dem Förderpreis des Kantons Graubünden und dem Somedia-Kunstpreis. Atelierstipendien haben ihn nach Paris und Nairs geführt. Ein Aufenthalt in Argentinien steht unmittelbar bevor. Neben seiner eigenen künstlerischen Praxis ist er seit Jahren als Assistent des Künstlers, Ausstellungs- und Theatermachers Hans Peter Litscher tätig, realisiert Bühnenbilder und Ausstattungen für das Junge Theater Graubünden und engagiert sich in zahlreichen kollaborativen (Kunst-)Projekten.

Weitere Informationen: www.chrishunter.ch

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