20.08. — 13.10.2019 | Dienstraum
Fraenzi Neuhaus
Eingenistet 47.3519/7.9077
Dienstraum #7
Auf Einladung der SBB bespielt das Kunstmuseum Olten den ehemaligen Dienstraum mit zeitgenössischer Kunst. Die siebte Intervention erinnert an die ursprüngliche Funktion des Glaskubus, die heute von der «Betriebszentrale Mitte» für das ganze Mittelland übernommen wird.
Einst beherbergte der Dienstraum die technische Infrastruktur für das Bahnpersonal, um sich über Verspätungen und Zugsausfälle zu informieren oder Durchsagen zu tätigen. Es flossen an diesem Ort wichtige Informationen zusammen und wurden von hier aus weiterverteilt. Darauf sowie auf die zentrale Rolle des Bahnhofs Olten als Knotenpunkt und Kilometer 0 im Eisenbahnnetz der Schweiz sowie als wichtige Drehscheibe im Personenverkehr – es steigen hier täglich rund 80'000 Menschen ein und aus – spielt die Einnistung von Fraenzi Neuhaus (*1957) an. weiterlesen
Die genauen Angaben zum Werk verraten die Präzision der Künstlerin und ihre Bezugnahme auf die Welt der Technik:
Eingenistet 47.3519/7.9077, 2019
Glasfaserrohre, Kabelbinder
ca. 300 x 320 x 180 cm
Materialsponsoring: Arnold AG, Wangen a. A.
Leihgabe der Künstlerin
Ihr amorphes, netzartiges Gebilde ist mit Kabelbindern aus 1200 m Kunststoffrohr, einer sogenannten Speedpipe, zusammengebunden. Dieses Material wird aktuell in Zusammenhang mit dem Ausbau des Glasfasernetzes kilometerweise durch die ganze Schweiz verlegt. In die Speedpipes werden dann die Glasfasern mit einem ausgeklügelten Hightechverfahren eingeblasen. Dank dieser neuen Infrastruktur wird die Leistungsfähigkeit und Geschwindigkeit des Netzes für den Datenverkehr und die Kommunikation im world wide web landesweit auf einen neuen Stand gehoben.
Das Objekt erinnert jedoch auch an ein Nest oder eine Verpuppung, wie sie in mannigfaltiger Ausprägung in der Natur anzutreffen sind, an Konstruktionen also, die einem heranwachsenden Wesen Schutz bieten. Mit Fadengespinsten, Schaumblasen oder Gräsern und Holzstücken bauen zahlreiche Insektenarten, so z. B. die Zikaden, Niststätten für ihre Brut. Beim Menschen beginnt mit der «Einnistung» der befruchteten Eizelle in der Gebärmutterschleimhaut die Schwangerschaft.
Mit ihrer Arbeit für den Dienstraum knüpft die Solothurner Künstlerin an frühere Installationen mit dem Titel «Einnistungen» an, die 2014/2015 entstanden sind. Amorphe Netzwerke und Strukturen sind nämlich seit jeher prägend für ihr Schaffen, das neben Objekten und raumgreifenden Installationen auch Zeichnungen und Photographien einschliesst.
Künstler*innen
Fraenzi Neuhaus (*1957)
lebt und arbeitet als freischaffende Künstlerin in Solothurn und ist als Dozentin an der Pädagogischen Hochschule FHNW, Fachhochschule Nordwestschweiz tätig.
Nach einer pädagogischen Erstausbildung und einer Zweitausbildung am Konservatorium für Musik in Basel hat Fraenzi Neuhaus eine künstlerische Ausbildung an der Kunstgewerbeschule in Bern und an der Schule für Gestaltung in Zürich absolviert. Seit Mitte der 1980er-Jahre ist sie regelmässig an Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland beteiligt. Ihr Schaffen wurde wiederholt ausgezeichnet, u. a. 2016 mit dem Preis für dreidimensionales Schaffen des Kantons Solothurn und 2001 mit einem Werkjahresbeitrag des
Kantons Solothurn und ist in zahlreichen öffentlichen und privaten Sammlungen vertreten.
Seit den 1990er-Jahren ist der Faden ein wiederkehrendes, strukturbildendes Element in ihrem Werk. Arbeitete Fraenzi Neuhaus zunächst noch mit dem textilen Faden, so hat sie sich mehr und mehr mit hochtechnischen und industriellen Materialien beschäftigt – etwa mit Nylon, Kunststoffrohren oder zuletzt dem Filament. Damit schafft die Solothurner Künstlerin Objekte und raumgreifende Skulpturen, die an organische Gebilde erinnern, durch die Materialität aber entschieden künstlich wirken. Den Werken ist eine formale und inhaltliche Spannung eigen. Fraenzi Neuhaus ist stets auf der Suche nach einer Urform, die in sich das Potential des Wandels birgt.
Ansichten
Downloads