09.09. — 04.11.2012 | Parterre & Beletage

Katja Schenker

Mit angewinkelten Beinen

Die Ausstellung «Katja Schenker. Mit angewinkelten Beinen» setzt als erste Schau unter der neuen Museumsleitung (Dorothee Messmer & Katja Herlach) einen markanten Akzent.

Mit Katja Schenker präsentiert das Museum eine der innovativsten und eigenwilligsten Schweizer Künstlerinnen der Gegenwart. Sie ist in der Ostschweiz aufgewachsen, lebt in Zürich und ist als Solothurner Bürgerin durch die Teilnahme an den Jahresausstellungen auch dem hiesigen Publikum bekannt.

Katja Schenker hat für Olten eine spektakuläre, zwei Stockwerke vollständig bedeckende Bodeninstallation entwickelt, die sie während der Vernissage mit in Farbe getauchten Naturschwämmen performativ bespielte und mit einer Dripping-Malerei überzog. Als Kontrapunkt zum fliessenden, die Räume verbindende Kontinuum des Bodens setzte sie an den Wänden mit neuen Zeichnungen Fokuspunkte.

Auf diese Weise entstand eine äusserst sinnliche, auf die körperliche Wahrnehmung hin angelegte Gesamtinstallation.

Mit ihrer Arbeit reagierte die Künstlerin auf die geografische und räumliche Situation des Museums, öffnete es maximal nach aussen hin und liess auch das Publikum Teil des Kunstwerks werden – gemeinsam erzeugten die Gäste beim Begehen des Betonbodens Risse und Spuren von Ausbrüchen, resp. ein fein verästeltes Lineament, das ebenfalls als Zeichnung gelesen werden kann. 

Im dritten Stock sind Videos von bisherigen Performances und ortsspezifischen Projekten zu sehen.

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Ein Zementboden, von der Künstlerin selbst über 450 m2 Fläche verlegt, der mit einer Performance verbunden zum Bodengemälde wird und unter den Füssen nachgibt...

Katja Schenkers künstlerische Arbeit verschliesst sich einer einfachen Beschreibung. Sie amtet als Traxfahrerin, um den Zaun einer Kehrichtverbrennungsanlage zu verbiegen, streicht ein Loch in einer Wiese mit Asphalt aus oder mischt Beton, etwa für das Projekt „Nougat“, für das sie mehrere Preise einheimste. Ist sie eine Performancekünstlerin? Eine Bildhauerin, eine Zeichnerin oder Land Art Künstlerin? Es ist wohl von allem etwas enthalten in ihrem Werk. Denn im Zentrum ihrer Arbeit steht ihr eigener Körper und sein Verhältnis zum Raum, den sie - stellvertretend für uns -, als Ausgangspunkt und Werkzeug verwendet, um Seinszustände erfahrbar zu machen. Die Künstlerin bleibt so immer spürbar, auch wenn sie nicht mehr selbst anwesend ist, sowohl über die Performance als auch in der Installation.
Der eigene Körper wird dabei zum Medium, durch den sie bestimmte Gesetzmässigkeiten ihrer Umgebung in sich aufnimmt, mit ihnen spielt, durcheinanderwirbelt, streichelt, knetet, und so verändert wieder herausgibt. Dabei interessieren sie vor allem die vermeintlich unantastbaren Eigenheiten der Materialien und Polaritäten, die durch ihren Willen in neue Zusammenhänge gebracht werden. Denn sie bringt es fertig, Eigenschaften, die sich üblicherweise ausschliessen, miteinander zu verbinden, bestimmte, klar und geordnet scheinende Zustände durch ihr Zutun grundlegend zu verändern und neue Stimmungen zu kreieren, die bisherige gewohnte Wahrnehmungsweisen hinterfragen. Hart wird weich, zart wird fest, das Negative ins Positive gekehrt und die Erwartungen des Publikums hintertrieben und - wie heute abend - sprichwörtlich aufs Glatteis geführt.
Die Ausstellung „Mit angewinkelten Beinen“ spielt mit den Eigenheiten des Kunstmuseums, diesen Räumen, die sich eingepfercht zwischen Durchgangsverkehr, Bushaltestelle und Parkplatz als Ort der musealen Ruhe behaupten müssen und seit Jahren auf eine Erneuerung warten. Sie reagiert aber auch auf den Charme der ehemaligen Gewerberäume, die nur schon durch die von Katja veranlasste Entfernung der über all die Jahre erfolgten Einbauten eine bewusstere Wahrnehmung ermöglichen.
 
Mit ihrer Arbeit stets verbunden und immer mit einkalkuliert ist der Aspekt des Scheiterns. Denn sie geht immer auch ein Risiko ein, das Unmögliche zu wollen. Der Hang zum Risiko ist jedoch verbunden mit einer grossen Professionalität und einem unglaublichen Willen. Denn um eine bestimmte Idee verwirklichen zu können, experimentiert sie oft lange und nutzt oft auch die Hilfe von externen Fachleuten. Das Interesse ist dabei oft gegenseitig, denn die Handwerker, die sie anfragt, gelangen manchmal dank der Hartnäckigkeit der Künstlerin selbst zu neuen Ergebnissen und loten die Grenzen des eigenen Handwerks aus. Das macht mit die grosse Qualität des Werks von Katja Schenkers aus, dass sie mit Hilfe von Handwerkern, und damit in Richard Sennets Worten, der «Fähigkeit etwas um seiner selbst willen gut machen zu wollen», ihre Kunst mit dem Risiko, des bewussten Einkalkulierens, scheitern zu können, zur Meisterschaft treibt. Das Scheitern, dass durch die Behauptung der Künstlerin, das Unmögliche möglich zu machen, immer wieder von neuem mitspielt, wird dabei zu einem positiven Mouvens, ganz im Sinne Sennetts und seines Plädoyers für «das Handwerk als eine Arbeitshaltung und die damit verbundene Freiheit, Fehler machen zu dürfen».
 
Und so kommt es durch die Betrachtung und das Durchschreiten der Installation zu einer Erfahrung des Unerwarteten, des Vielschichtigen, des Mehrdeutigen und dessen, was, entgegen unseren gewohnten Sichtweisen, eben durchaus auch möglich sein könnte. Die Besucherinnen und Besucher erfahren beim Durchschreiten nicht nur die Stimmungen im Raum körperlich, sondern prägen das Werk mit jedem Schritt in einem steten Veränderungsprozess physisch mit.

Künstler*innen

Katja Schenker (*1968)

wurde 1968 in St. Gallen geboren und lebt heute in Zürich. Studiert hat sie Komparatistik, Kunstgeschichte und Philosophie an der Universität Zürich und an der Ecole des Hautes Etudes in Paris. Danach hospitierte sie an der Hochschule für Gestaltung und Kunst Zürich (heute ZHdK). Sie wurde mehrfach ausgezeichnet und fährt einen silberfarbenen Peugeot 406 Break mit Schiebedach. (zit. aus: Katja Schenker: «arbeiten an der erdoberfläche», (Ausst. Kat.), Verlag für Moderne Kunst Nürnberg, Nürnberg 2011) www.katjaschenker.ch

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