10.09. — 19.11.2017 | Beletage

Roland Roos
Import / Export

Der Zürcher Künstler Roland Roos (*1974) hat ein besonderes Flair für solides Handwerk und Grenzüberschreitungen aller Art. Er liebt das Flüchtige, das Vergängliche und das Einfache und ist ein Meister im Erdenken unkonventioneller Verhaltensweisen und Lösungsansätze, mit denen sich eingeschliffene oder scheinbar zementierte Konventionen unterlaufen lassen. Mit Humor und Hartnäckigkeit macht er sich in jedem seiner Projekte erneut daran, das Denkbare auch möglich zu machen.

Immer wieder thematisiert er mit seiner Kunst Arbeitsprozesse im Kontext wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Systeme. Ihn interessiert der gezielte Eingriff in die dazu gehörigen Mechanismen und was dadurch bei den RezipientInnen ausgelöst wird. So hat er etwa 2009/2010 im Rahmen des Projekts «Free Repair» Objekte im öffentlichen Raum ohne Aufforderung gratis repariert, 2013 einen Fiat Panda «verde mare» von Freunden in Einzelteile zerlegt von Genua nach Zürich exportieren lassen – am Zoll vorbei – oder 2014 für seine Ausstellung im Rahmen des Manor-Kunst-Preises Luzern im dortigen Kunstmuseum eine Produktion für Kleinkind-Stoffbücher eingerichtet, die seine wichtigsten Werke in einfachen Bildern vorstellten und somit der Forderung nach einer Retrospektive auf überraschende Weise entsprachen. Diese Stoffbücher wurden anschliessend in der Kinderabteilung von Manor-Kaufhäusern verkauft. Die Einnahmen dienten Roos dazu, der Firma die Preissumme indirekt zurückzugeben, womit er u. a. ein Augenmerk auf den Aspekt der Gönnerhaftigkeit einer solchen Preisverleihung richtete.  weiterlesen


Das Thema Arbeit treibt Roland Roos auch in seinen neusten Projekten um: Zusammen mit den Architekten Luc Scherer und Malte Beutler hat er im Pavillon Le Corbusier am Zürcher Seeufer ein Callcenter eingerichtet, in dem Angestellte aus Pristina, die einst in der Schweiz gewohnt haben und aus unterschiedlichen Gründen in ihre Heimat zurückgekehrt sind, während zwei Monaten (2.8.–1.10.2017) ihre Arbeit verrichten.

In Olten indes nützt Roland Roos die Einladung für eine Einzelausstellung zur Realisierung eines Projekts, das sich unter dem Titel «Import / Export» mit den Arbeitsverschiebungen in Europa beschäftigt. Dabei geht Roos u. a. der Frage nach, wie sich die Arbeitsbedingungen in verschiedenen Ländern unterscheiden und wie wir diese wahrnehmen.

Haben wir eine Vorstellung davon, wer unter welchen Bedingungen die Kleider näht, die wir im Online-Shop oder in der Edel-Boutique kaufen? Was für Bilder machen wir uns von der nach Osteuropa ausgelagerten Textilproduktion, wenn wir «Made in Bulgaria» auf der Etikette im neu erworbenen Anzug oder Deux-Piece lesen? Wie und auf der Basis welcher Informationen entstehen diese Bilder? Sind wir bereit, sie anhand eigener Erfahrungen zu überprüfen? Und wieviel Aufwand ist uns ein persönlicher Einblick wert?

Roos will es wirklich wissen und richtet im Parterre des Kunstmuseums Olten, wo bis in die 1950er-Jahre im ersten Verkaufsgeschäft der Firma Kleider Frey in der Region produzierte Mode verkauft wurde, einen Training Ground mit professionellen Industrienähmaschinen ein, auf denen man sich für einen Arbeitseinsatz in Bulgarien, der Hochburg der heutigen europäischen Textilproduktion, vorbereiten kann.

Künstler*innen

Roland Roos (*1974)

Webseite Roland Roos

Ansichten

Mitmachen

Ausschreibung

Erlebnisurlaub im Herzen der osteuropäischen Textilproduktion

Unser zweiwöchiger Aktivurlaub führt an den Fuss des PirinGebirges, in die Kleinstadt Goze Deltschew, die eine der grössten Textilfabriken Osteuropas beheimatet. Hier werden Sie Teil des Produktionsapparats der Firma Pirin-Tex, die Massarbeitfür führende Mode-Labels leistet. Trotz der hohen Arbeitslosenquote in Bulgarien hat das Unternehmen Mühe, Mitarbeiter zu rekrutieren. Nutzen Sie die einmalige Gelegenheit, an einem durch die Abwanderung in den Westen frei gewordenen Arbeitsplatz gegen den wirtschaftlichen Untergang der Region anzunähen. Den Einsatz ermöglicht das Kunstmuseum Olten mit einem Training Ground, wo Sie unter fachkundiger Anleitung auf die Präzisionsarbeit vorbereitet werden.* Mit einem Bulgarisch-Crash-Kurs bieten wir Ihnen zusätzlich die optimale Grundlage für den Austausch mit Ihren 2500 Mitarbeiterinnen.

* Nach der Einführung in die Arbeitsschritte wird ein Eignungstest absolviert. Das Bestehen des Tests ist Bedingung für einen Einsatz in Gaze Deltschew.

Programm

Woche 1

Nach einem kurzen Fussmarsch beginnt um 6 Uhr
Ihre Schicht in der Innenpolsterei: Sie nähen die Innentaschen
modischer Sakkos. Zwei Zigarettenpausen und eine dreissigminütige Verpflegungspause fördern den kulturellen Austausch am Arbeitsplatz. Nach Arbeitsschluss um 14.30 Uhr steht Ihnen der Nachmittag zur freien Verfügung.

Woche 2

Sie wechseln wie Ihre Arbeitskolleg:innen die Schicht: Ihr Arbeitstag beginnt um 16 Uhr und endet um Mitternacht. Das Wochenende steht Ihnen zur freien Verfügung. Mögliche Aktivitäten: Wanderung ins Pirin-Gebirge, Besuch der naheliegenden Thermen, Führung im historischen Museum.

Inbegriffen im kostenlosen Angebot
gültig 10.9.–19.11.2017
nach bestandenem Eignungstest im Kunstmuseum Olten

  • Flug nach Sofia
  • Unterkunft im Zentrum von Gaze Deltschew
  • Tagespauschale für Verpflegung (5€)

Einführungskurse
für den Eignungstest mit Roland Roos
jeden Donnerstag von 17–19 Uhr

Bulgarisch-Crash-Kurs
jeden Samstag von 10–12Uhr

Ihre Reisebegleitung
Roland Roos – Nach mehreren Reisen in die Pirin-Region und nach Gaze Deltschewverfügt unser Experte über beste Kontakte vor Ort. Die Arbeitsabläufe bei Pirin-Tex kennt Roos aus eigener Erfahrung.