04.06. — 21.08.2022 | Museum
Put on Your Red Shoes (and Dance the Blues)!
Das Kunstmuseum bittet zum Tanz
Im Sommer dreht sich im Kunstmuseum Olten alles um den Tanz und das Tanzen in der bildenden Kunst. Das Ausstellungsprojekt befasst sich mit Werken von Künstlerinnen und Künstlern, die das soziale und gesellschaftliche Potenzial des Tanzens für ihre Arbeit nutzen. Gleichzeitig spiegelt es auch die engen Beziehungen des Tanzsystems mit performativen und installativen Praktiken in der bildenden Kunst.
Die wechselseitigen Beziehungen beider Gattungen erfreuen sich heute eines steigenden Interesses. Dies hängt in erster Linie mit dem interdisziplinären Denken zusammen, das den aktuellen Kunstdiskurs prägt. So wurden die Abgrenzungen der künstlerischen Gattungen, die seit der Antike und bis ins 19. Jahrhundert noch heftig umkämpft waren, erst mit der beginnenden Moderne gelockert. Ein Beispiel dafür waren etwa Serge Diaghilevs «Ballets russes» im Paris der 1910er- und 1920er-Jahre. Auch mit der steigenden Bedeutung der Kulturszenen der Grossstädte und dem damit einhergehenden Ineinandergreifen der Interessen von Tänzern, Musik- und Theaterschaffenden, bildenden Künstlerinnen, Philosophen, Architekten und Gestalterinnen wurde die gegenseitige Stimulation von Tanz und bildender Kunst wichtiger.
Die Ausstellung und ihre Themen
Heute sind rigide Gattungsgrenzen im Kunstbereich kaum mehr denkbar. Kunstschaffende tanzen selbst (Regina Graber) und malen sich dabei (Andrea Muheim). Sie zeichnen Menschen beim Tanzen (Jacquy Neukomm) oder geben ihren Kolleg:innen den Auftrag zu tanzen (Lysann König).
Sie setzen sich tänzerisch mit gesellschaftsrelevanten Themen auseinander, etwa mit dem fürsorgerischen Freiheitsentzug (Seline Baumgartner), der Befindlichkeit von jungen Erwachsenen während Corona (Rebekka Friedli und Nathalie Kamber alias Kollektiv Beton) oder den politischen Verhältnissen in China (Eva Borner).
Sie wirbeln öffentlich zugängliches Bild- und Textmaterial für aktuelle Bildaussagen in wildem Reigen durcheinander (Ueli Sager) oder nutzen den tänzerischen Ausdruck für Interviews und thematisieren damit die Beziehungen zwischen Tanz und Sprache (Till Velten).
Sie reflektieren sich selbst mit den Stilmitteln des Tanzes (Manon) oder tun sich mit Performer:innen oder Tänzern zusammen, um gemeinsam ein Werk zu schaffen – sei es, um den öffentlichen Raum zu erkunden (Veronika Spierenburg und Lisa Livret, Tänzerin aus Bordeaux) oder um mit Aufnahmen im Oltner Wald das Thema des Fremdseins zu reflektieren (Andy Storchenegger und Guang-Xuan Chen, Mitglied des Balletensembles am Stadttheater St. Gallen).
Sie beschäftigen sich mit elementaren, auch kunstgeschichtlich relevanten Themen, etwa mit dem Totentanzmotiv (Saskia Edens) oder mit der Vergänglichkeit im Allgemeinen (Eva Borner).
Und schliesslich ist da noch San Keller, der seine eigene «San Dance Company» schafft, indem er mit Interessierten Verträge abschliesst und sie damit verpflichtet, lebenslang zu einem selbst-gewählten Stück zu tanzen, wann immer sie es hören, im privaten wie im öffentlichen Raum.
Kooperationen und Partner:innen
Aber auch im Tanzsystem sind mannigfache hybride Formen im Zusammenwirken mit der bildenden Kunst erkennbar. Die Institiution TANZINOLTEN mit ihrer Gesamtleiterin Ursula Berger gab denn auch den eigentlichen Anstoss zum Ausstellungsprojekt, denn was könnte uns Besseres passieren, als solch eine ausgewiesene Tanzfachfrau vor Ort als Expertin mit ins Boot zu holen und aktiv zur Mitwirkung bewegen zu dürfen? So zeigen wir etwa die Veranstaltungsplakate, die seit vielen Jahren von Künstlerinnen und Künstlern gestaltet werden (darunter Entwürfe von Franz Anatol Wyss, Marianne Büttiker oder Schang Hutter).
Wir freuen uns ganz besonders, dass Ursula Berger zum Titelstück der Ausstellung eine Choreographie entwickelt hat, die das Publikum mittanzen kann. Die gesammelten Tanzschritte werden von uns zu einem kollektiven Tanz zusammengefügt und für die Nachwelt erhalten.
In diesem Zusammenhang darf auch noch erwähnt werden, dass wir mit Claudia Waldner eine externe Co-Kuratorin gewinnen konnten, die massgeblich zum Gelingen des Projekts beigetragen hat. Gemeinsam mit unserer Kunstvermittlerin Yolanda Ludwig betreut sie zudem das weitgehend von ihr in Kooperation mit Ursula Berger zusammengestellte Tanz- und Musikprogramm rund um die Ausstellung. Claudia Waldner ist freie Kuratorin und Künstlerin. Während ihrer Zeit als Leiterin des Kunsthaus Zofingen (Oktober 2014 bis Mai 2021) hat sie dort das dreiteilige Ausstellungsprojekt Bodenlos (2015–2017) zu Tanz und Kunst kuratiert.
Werke aus Oltner Sammlungen
Einen weiteren Schwerpunkt des Projekts bilden Werke aus den Sammlungen der Oltner Museen. So sind aus den Beständen des Historischen Museums Aufnahmen des bekannten Oltner Fotografen Franz Gloor zu sehen, die während der Oltner Tanztage 1995–2005 entstanden sind. Daneben verweisen Plakatentwürfe und Holzschnitte Otto Morach sowie Arbeiten von Alice Bailly und Albert Müller auf die oben angedeutete Annäherung von Tanz und bildender Kunst in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts. Und mit Zeichnungen von Dieter Linxweiler, die während Tanz-Performances in den 1980er-Jahren entstanden sind, gedenken wir einem Künstler aus der Region, der vor zwei Jahren verstorben ist und der Sammlung des Kunstmuseums eine kleine, aber repräsentative Auswahl von Arbeiten aus seinem Lebenswerk vermacht hat.
Aussenstation im Dienstraum
Auf Einladung der SBB bespielt das Kunstmuseum Olten einen ehemaligen Dienstraum auf dem zentralen Perron Nr. 7 im Bahnhof Olten mit zeitgenössischer Kunst.
Die 17. Intervention hat die Oltner Künstlerin und Tänzerin Regina Graber (*1971) zusammen mit ihrer Performance-Partnerin Sylvie Xing Chen (*1981) als Aussenstation zur aktuellen Museumsausstellung realisiert. Auch in der Arbeit «WasserWolken» geht es um das Verhältnis von Tanz und bildender Kunst.
Der Dienstraum ist rund um die Uhr vom Perron aus einsehbar.
Hinweis / Tipp
Bis zum 21. Juni zeigt Christoph Oeschger in seinem Nomadic Art Space, in unmittelbarer Nähe des Kunstmuseums, die Ausstellung Donia Jornod & Jakob Ferdinand Rieder. This Time is Different. Die Künstlerin Donia Jornod zeigt darin eine Arbeit, in der sie die Medien Tanz, Video und Malerei verbindet, damit die Augen der Betrachtenden auf den Bildern gleichsam tanzen.
Ausstellungstitel als Handlungsanleitung
«Put on Your Red Shoes (and Dance the Blues)!» stammt aus dem Song «Let’s Dance» von 1983, der lange den 1. Platz der internationalen Charts belegte und in jeder Disco lief. David Bowie rief damit das Publikum zum Tanzen auf.
Obwohl im eigentlichen Sinn nicht politisch motiviert, war das Stück durchaus auch als Kritik am damaligen Fortschrittsglauben zu verstehen und gleichzeitig ein Statement «about integration of one culture with another», so Bowie selbst. Als herausragender Musiker des 20. Jahrhunderts steht dieser mit seinen Inszenierungen und Kunstfiguren auch exemplarisch für die Überschneidungen der verschiedenen Kunstgattungen, welche die Kultur heute prägen.
Bowies Aufforderung zum Tanzen kommen wir auch heute gerne nach und laden unsere Gäste dazu ein, unser Projekt über den Museumsbesuch hinaus selbst tänzerisch mitzugestalten. Die Ausstellung wird deshalb von einem vielfältigen Rahmenprogramm begleitet, das hoffentlich viele Hüften zum Schwingen bringt – von Performances und Musik auf der Freilicht-Tanzbühne über wöchentliche Crash-Tanzkurse in der Stadt bis hin zum Mitwirken an einer kollektiven Choreographie, die von Ursula Berger (TANZINOLTEN) eigens für die Ausstellung zu Bowies Song entwickelt wurde.
In diesem Sinne: Let’s dance!
Dank
Claudia Waldner hat als externe Co-Kuratorin entscheidenden Anteil am Gelingen des Projekts. Zusammen mit unserer Kunstvermittlerin Yolanda Ludwig betreut sie zudem das weitgehend von ihr in Kooperation mit Ursula Berger zusammengestellte Tanz- und Musikprogramm rund um die Ausstellung.
Ursula Berger, «la grande dame» des Tanzes in Olten, hat unser Projekt auf unterschiedlichen Ebenen massgeblich unterstützt, mit Leihgaben für die Ausstellung, vor allem aber mit Knowhow und Networking für das Begleit- und Vermittlungsprogramm. Ein riesiger Dank gebührt ihr für die Choreographie auf den titelbegenden Song von Dawid Bowie und die Produktion von Videotutorials zum Nachtanzen für unser Publikum mit der Tänzerin Viviane von Gunten.
Ursula Berger hat die Gesamtleitung der Oltner Tanztage (TANZINOLTEN) und des Dance Studio Olten inne.
Unser Dank gilt zudem allen beteiligten Künstler:innen, Performer:innen und Musiker:innen, Andi Hofmann & die Mühle, der Videocompany, Zofingen, dem Kunstadapter, der M&M Hire AG, dem Kunsthaus Zofingen, dem Historischen Museum Olten, dem Cultibo Olten, dem Werkhof Olten, der Christkatholischen Kirchgemeinde Region Olten sowie den Tanzschulen Dance Studio Olten, Access à la dance, LaDina, Ella’s Fellas, Vagabunda, Dancefactory Romanshorn und Offdance.
Für die finanzielle Unterstützung danken wir unseren privaten Mäzenen:innen sowie dem Lotteriefonds des Kantons Solothurn (Swisslosfonds) und der Else von Sick Stiftung.
Pressespiegel
Kultur Tipp, Nr. 12/22
Vorschau von Simon Knopf
Oltner Tagblatt / Solothurner Tagblatt, 2.6.2022
Besprechung von Denise Donatsch
Radio Kanal K / Kulturmagazin, 2.6.2022
Das wöchentliche Kulturmagazin aus der Region für die Region.
Interview mit Dorothee Messmer und Katja Herlach
ProgrammZeitung, Juli/August 2022
Kult(o)ur Spezial 2022. Sommerzeit ist Reisezeit: 5 Tipps der ProgrammZeitung für Ausstellungsbesuche in der ganzen Schweiz; einer davon ist:
Kunst und Tanz. Das Kunstmuseum Olten bringt uns vielseitig in Bewegung, Tipp von Iris Kretzschmar (siehe Download am Seitenende)
Künstler*innen
In der Ausstellung
Seline Baumgartner
Ursula Berger
Eva Borner
Rachel Bühlmann, Sadyho Niederberger, Lea Pelosi
Saskia Edens
Monica Germann & Daniel Lorenzi
Regina Graber
Eric Hattan
San Keller
Kollektiv Beton (Rebekka Friedli und Nathalie Kamber)
Lysann König
Manon
Andrea Muheim
Jacquy Neukomm
Ueli Sager
Veronika Spierenburg
Andy Storchenegger
TANZINOLTEN (Künstlerplakate)
Till Velten
Viviane von Gunten
Werke aus den Sammlungen der Oltner Museen von:
Martin Disteli
Franz Gloor
Christina Hemauer & Roman Keller
Dieter Linxweiler
Otto Morach
u. a.
Live Performances
Cie Champloo (Branca Scheidegger und Rafael Smadja)
DJ Flexin & DJ Fly Robin mit VJ Tonjaschja Adler und VJs Fluid STEPS
Regina Graber & Sylvie Xing Chen
Herz-Feuer (Lisa Bögli & Andreas Dunsi Schwarzer)
InQdrt (Tanz- & Parkour-Kollektiv)
San Keller (San Dance Company)
Ssassa mit Denis Marian, Schweizermeister im Beatboxen
Andy Storchenegger mit Guang-Xuan Chen
Veronika Spierenburg mit Lisa Vilret
Regula Stücheli und Daniell’Ficola
Viviane von Gunten
Ansichten
Veranstaltungen
Mitmachen
Put on Your Red Shoes and dance the STEP!
Wir sammeln Videos von tanzenden Füssen, die sich zum titelgebenden Song unserer Ausstellung bewegen.
Dafür hat Ursula Berger (TANZINOLTEN) eine Choreographie kreiert. Die erste Sequenz (zum Refrain) soll zum bewegten «Signet» unserer Ausstellung werden.
Im Museum lädt eine Tanzfläche dazu ein, mit Hilfe eines von Viviane von Gunten getanzten Tutorials die Signet-STEPS zu lernen und aufzunehmen .
Weitere Tuturials, aus denen sich die komplette Choreographie zusammensetzen lässt, finden Sie in auf einem Parcours durch die Altstadt (Karte mit Links).
Wenn Sie zu Hause üben möchten, gehts gleich hier zu den Tutorials oder auch auf unserem Blog, wo wir zudem die eingesandten Filme veröffentlichen.
Tutorials
MACHEN SIE MIT und senden Sie Ihr/e Video/s an:
Wenn Sie Ihr/e Video/s auf Ihren Social-Media-Kanälen teilen, freuen wir uns über eine Verlinkung mit @kunstmuseumolten und #redshoesstep
10 x TANZSTUNDE – Let's dance !
«Open Classes» für diverse Tanzrichtungen
jeweils mittwochs, 18:15–19:15 Uhr
15. Juni bis 17. August 2022
Für Tanzbegeisterte und solche, die es werden wollen.
Alle sind herzlich willkommen!
Die Teilnahme ist kostenlos. Keine Anmeldung nötig.
Im Rahmen der Ausstellung findet jeden Mittwoch eine offene Tanzstunde statt. Tanzpädagog:innen geben eine Lektion als (Tanz)Einblick in ihren Tanzstil.
Bei Sonnenschein vor der Stadtkirche in Olten
Bei Regen im Kunstmuseum Olten
Programm
15. Juni – Ursula Berger
Leitung Dance-Studio Olten und Oltner Tanztage TANZINOLTEN
22. Juni – Argentinischer Tango mit Oliver & Gisela
Tanzschule Vagabunda
29. Juni – Experiencing circles mit Mirjam Barakar
Tanzschulen Oriental Dancer und Accès à la dance
6. Juli – Klassisches Ballett mit Rosmarie Grünig
Tanzschule Dance Studio Olten
13. Juli – Flamenco mit Ladina Bucher
Tanzschule LaDina
20. Juli – Lindi Hop mit Fabienne Christen und Luciano Pescatore
Tanzschule Ella's Fellas
27. Juli – Hip Hop mit Chloe Wanner
Tanzschule: dancefactory4you
3. August – Solo Jazz mit Meret Rötheli
Tanzschule Ella's Fellas
10. August –Barocktanz mit Evelyn Klöti
Dozentin für Tanzgeschichte, ZHdK
17. August – Argentinischer Tango mit Oliver & Gisela
Tanzschule Vagabunda
When Do You Perform Yourself
Die an der Ausstellung beteiligten Künstlerinnen Rachel Bühlmann, Sadhyo Niederberger und Lea Pelosi laden Sie dazu ein, sich ausgehend von ihrem Projekt what / do you see / me mittels einfacher Mini-Performances Gedanken über das Verhältnis von Kleidung, Selbstverständis, Körpergefühl, Körperhaltung und Bewegung (im Raum) zu machen und/oder sich im Museum oder im Alltag gar zu exponieren.
Zudem schärfen die Mini-Performances den Blick für die gezeigte Fotoarbeit. Diese portraitiert Menschen im Ausgang. Styling und Kleidung als wichtige Elemente der Selbstinszenierung stehen dabei im Fokus.
Lassen Sie sich durch die im Ausstellungsraum auf farbigen Postkarten sowie auf der Projektwebsite digital angebotenen Handlungsanweisungen zu ebenso einfachen wie überraschenden und anregenden Selbstexperimenten anstiften, wie z.B.:
«Konzentrier Dich auf den Teil Deines Körpers, den Du am wenigsten magst. ‹Zeig› ihn ein bisschen mehr.»
Viel Spass.