06.03. — 03.04.2022 | Mezzanine

Schatzkammer Sammlung #2

Partizipatives Ausstellungsprojekt

Wir führen das Ausstellungsformat «Schatzkammer Sammlung» nach seinem erfolgreichen Start 2021 in diesem Jahr mit insgesamt vier Ausgaben weiter. Gäste aus der Oltner Bevölkerung sind eingeladen, gemeinsam mit den Kuratorinnen des Museums thematische Sammlungspräsentationen zu entwickeln, die unterschiedliche Aspekte unserer Bestände ins Licht rücken.

Die Ausgabe #2 wird von Beat Loosli, Marion Rauber und Christian Wüthrich zum Themenbereich Fasnacht, Maskerade, verkehrte Welt kuratiert.  weiterlesen

Als städtische Kunstsammlung ist die Sammlung des Kunstmuseums Olten ein öffentliches Gut, ein Schatz, der allen Oltnerinnen und Oltnern gehört. Sie speichert einen Teil des kulturellen Bildgedächtnisses der Region, gibt immer wieder Anstoss zum Rückblick, aber auch zur Überprüfung der Gegenwart, und richtet Fragen an die Zukunft. Durch die vermittelnde und forschende Arbeit im Museum wird die Sammlung ins Heute weitergeführt, in einem grösseren Bezugsrahmen verortet und unter wechselnden Gesichtspunkten befragt.

In diesen Prozess möchten wir die Bevölkerung, unser Publikum und weitere interessierte Kreise noch aktiver einbinden, ganz im Sinne unseres Anspruchs, ein anregender Ort der Begegnung, Bildung, Inspiration und Erholung zu sein. Ziel des Projektes ist es, den Involvierten und der Öffentlichkeit das Potential der Sammlung, den Entstehungsprozess einer Ausstellung sowie die Herausforderungen der Sammlungspflege näherzubringen. Wir freuen uns sehr, zu sehen, was entsteht, wenn Menschen mit unterschiedlichen Prägungen, Interessen und Haltungen an einer gemeinsamen Geschichte schreiben. Was für einen Kosmos spannen sie gemeinsam auf, welche Aspekte der Oltner Kunstsammlung beleuchten sie damit, und was für Fragen und Erfahrungen ergeben sich aus dieser Beschäftigung?


Die Mitwirkenden

Beat Loosli (*1963), Marion Rauber (*1966) und Christian Wüthrich (*1962) sind waschechte Oltner:innen, die sich seit Kindertagen kennen. Alle drei sind hier aufgewachsen. In der Stadt, die ihnen am Herzen liegt und für die sie sich auf vielfältige Weise engagieren, sind sie bestens vernetzt. Eine Zeit lang haben sie gemeinsam im Gemeinderat politisiert: Christian Wüthrich und Beat Loosli, der spätere Kantonsrat, für die FdP, Marion Rauber, eine unserer aktuellen Stadträtinnen, für die SP.

Gemeinsam ist ihnen auch die Leidenschaft für die Fasnacht, die sie als Mitglieder (Beat Loosli als Präsident) des 11-köpfigen FUKO-Rates mitprägen. Das 1928 gegründete «Fasnachts- und Umzugs-Komitee Olten» (FUKO) ist die Dachorganisation der Oltner Zünfte, Cliquen und Guggen. Es trägt zur Erhaltung kultureller und fasnächtlicher Sitten und Bräuche bei, übernimmt Koordinationsaufgaben und organisiert die Oltner Fasnacht in Zusammenarbeit mit den Aktiv-Fasnächtler:innen. Im FUKO-Archiv an der Baslerstrasse 57 haben Marion Rauber (Säli-Zunft) und Beat Loosli (Hilari-Zunft) ein kleines FUKO-Museum eingerichtet. Christian Wüthrich, selbst Mitglied der Fröscheweid-Zunft, hat privat eine umfassende Sammlung an Fasnachts-Plaketten und Plakaten zusammengetragen.  

Als 2021 die Oltner Fasnacht wegen Corona nicht stattfinden konnte, gestalteten die drei spontan mit Unterstützung vieler Fasnächtler:innen in den Fenstern des Kunstmuseums zur Kirchgasse hin eine Schaufenster-Ausstellung, mit Kostümen, Masken, Laternen, Plakettenentwürfen und Bildern. Die erneute pandemiebedingte Absage der offiziellen Fasnachtsaktivitäten hat uns in diesem Jahr eine zweite Ausgabe dieser Schaufenster-Ausstellung beschert. Einige Exponate daraus haben nun den Weg in die «Schatzkammer Sammlung»-Ausstellung gefunden.

 

Die Ausstellung

Als Thema war die Fasnacht für das Kurator:innen-Trio von Anfang an gesetzt. Obwohl Olten eine reiche närrische Tradition aufweist, und obwohl die Bedeutung der Fasnacht für das gesellschaftliche und politische Leben in der Stadt von grosser Bedeutung ist, gibt es in der Sammlung des Kunstmuseums überraschenderweise kaum Kunstwerke, die sich inhaltlich direkt auf die Fasnacht beziehen oder in Zusammenhang mit der Fasnacht entstanden sind. Eine Ausnahme bildet ein Konvolut an Zeichnungen aus dem Nachlass von HANS (KÜ) KÜCHLER, den die Stadt 2021 glücklicherweise für das Museum sichern konnte.

Da die Recherche in der Sammlungsdatenbank, in den Zettelkatalogen und im Depot nur einige wenige weitere fasnächtliche Bilder zu Tage förderte, insbesondere von Künstlern mit Beziehungen zur Basler Fasnacht wie NIKLAUS STOECKLIN oder MAX KÄMPF, musste der Horizont erweitert werden. Allerlei Maskeraden oder der farbig bewegte Charakter der «fünften Jahreszeit», in der die normalen, geordneten Verhältnisse temporär auf den Kopf gestellt werden, rückten ebenso in den Fokus der Suche, wie die enthemmte, düstere Seite der Narretei. Ein besonderes Augenmerk richtete sich zudem auf die Nacht als Kulisse für fasnächtliche Aktivitäten, Maskenbälle und Laternenzüge.

Ergänzt um Leihgaben aus dem FUKO-Archiv und aus Privatbesitz ist so eine üppig bunte Ausstellung mit einigen unheimlichen Einsprengseln entstanden, die allgemeingültige Aspekte und symbolische Deutungen närrischen Treibens aufgreift und zugleich die lokalen Gegebenheiten spiegelt. Das kreative Potenzial der Fasnachtszeit wird darin deutlich spürbar. Es manifestiert sich in Bildtypen und gestalterischen Aufgaben, die zwingend zur Fasnacht gehören: Laternen, Plakate, Kostüm- und Plakettenentwürfe, Masken, Dekorationen für Umzugswagen, Schnitzelbankhelgen und Illustrationen für Fasnachtszeitungen. Auf Plaketten und Plaketten-Entwürfe haben wir bewusst verzichtet, weil diese sowieso eine hohe Präsenz haben.

 

Im Treppenhaus...

...stimmt Sie HANS (KÜ) KÜCHLER mit einem bunten Narrenzug ins Thema ein. In den 1970/80er-Jahren porträtierte der gebürtige Innerschweizer die Fasnacht in seiner Wahlheimat Olten mehrmals mit virtuos-bewegtem Strich und feinem Humor. Seine offensichtliche Freude an den Kostümen und der sichere Blick für Zuspitzungen verrät den professionellen Werbegrafiker und schalkhaften Transformationskünstler ebenso wie den Karikaturisten, dessen leichtfüssiges und zugleich kritisches zeichnerisches Werk wunderbar in den Kontext der Fasnacht passt.

 

Im Hauptraum und im 1. Kabinett...

...zieht der Umzug (in Form von Plakaten, Graphiken und Zeichnungen) weiter durch die Stadt, die sich in den Fasnachtstagen in ein Tollhaus verwandelt: Nachdem der Obernarr das Zepter (den «Mäni») übernommen hat, regiert das Narrenvolk. Die fünfköpfige «fabelhafte Regierung» (von JOËLLE ALLET, u.a. Nr. 16) mischt sich in Gestalt von Fuchs, Biber, Eber, Hase und Eule ins Geschehen. Es wird laut, bunt, kreativ, witzig und bisweilen zotig. Werke wie die Fotocollage von MARTIN SCHWARZ (Nr. 7), das kleine Paletten-Bild von ALEX SADKOWSKY (Nr. 8) oder das in Farbe getauchte Stadthaus von ANDREAS HOFER (Nr. 15) symbolisieren dies, während die abstrakten Farbkompositionen von ROMAN CANDIO (Nr. 21), JEAN TINGUELY (Nr. 18) oder PETRA PETITPIERRE (Nr. 24) einen Hauch von Konfetti, Tanz und Trubel verbreiten.

Mit einem Video vom Fasnachtsumzug 2020, mit Fasnachtszeitungen, Fotoalben und Archivalien aus dem FUKO-Archiv erhält die reale Oltner Fasnacht in der Ausstellung ihren Platz.

 

Das 2. Kabinett...

...ist ganz dem Thema Maskenball gewidmet, der heute in Form der «Naare-Party» seine zeitge-nössische Ausprägung gefunden hat, denn Maskerade, Musik und Tanz dürfen an der Fasnacht nicht fehlen. Die Zeichnungsserie von JACQUY NEUKOMM (Nr. 50) erinnert an die beiden Oltner Künstlerbälle, die vor Corona von der kantonalen Künstlerschaft zum Abschluss ihrer Jahres-ausstellung im Kunstmuseum ausgerichtet worden sind.

 

Im 3. Kabinett...

...kippt die Stimmung. Verkleidung wird zur Verschleierung, fratzenhaft treten menschliche Laster als Kehrseite von Entfesselung und Überschwang ans Licht. Und der Pfyffer von RÖBI GISI (Nr. 57) steht für die Einsamkeit des Individuums, die sich selbst im grössten gesellschaftlichen Trubel oft nicht vertreiben lässt.

 

Zum Abschluss...

...tauchen wir in die Nacht ein, die vielen närrischen Aktivitäten als Bühne dient. Entsprechend wird dieser Raum nur von Laternen beleuchtet. Die Fotoserie von ROLAND ROOS (Nr. 72) schreibt mit «Zahnlücken» in Leuchtschriften schliesslich «BABEL» in die Oltner Nacht hinein. Auch das ist Fasnacht: Vielstimmigkeit, Kakophonie und Subversion.

Ansichten

Veranstaltungen

17:00 | Museum

SA
5
MAR
Ausstellungseröffnung

Ziegelmüller / Kneubühler / Schatzkammer Sammlung

18:00—18:30 | Museum

DO
10
MAR
hingeschaut. Werkbetrachtung

Niklaus Stoecklin

12:15 | Stadtraum

Di
22
MAR
Kunst-Stadt-Spaziergang

mit Beat Loosli

12:15—12:45 | Museum

MI
30
MAR
Kunst zum Zmittag 22/3

zur Schatzkammer Sammlung #2

16:00—17:00 | Museum

SO
3
APR
Finissage

Schatzkammer Sammlung#2