01.12.2024 — 02.02.2025 | Museum
Walter Grab. Ein Kind der Nacht
Die Wiederentdeckung eines Schweizer Surrealisten
2024 feiert das erste Manifest des Surrealismus seinen 100. Geburtstag. Aus diesem Anlass lädt das Kunstmuseum Olten zu einer Wiederentdeckung ein: Mit Walter Grab (1927–1989) holt es einen zu Unrecht in Vergessenheit geratenen Schweizer Nachkriegssurrealisten ans Licht. Die erste grosse monographische Museumsausstellung ermöglicht eine umfassende Begegnung mit seinem faszinierend vielgestaltigen Schaffen, das neben Malerei und Zeichnungen auch Assemblagen, Collagen, Textbilder und Gedichte umfasst. Der Einbezug von sechs zeitgenössischen Positionen vermittelt die bis heute ungebrochene Kraft des Surrealismus als künstlerische Haltung.
Von eigenen Beständen ausgehend profitiert das Kunstmuseum Olten von der mehrjährigen Forschungsarbeit für das 2022 in der Edition Patrick Frey erschienene Werkverzeichnis. Das Ausstellungsprojekt entstand in Zusammenarbeit mit der Gastkuratorin Julia Schallberger und wurde begleitet von der Kunsthistorikerin Jacqueline Burckhardt, dem Verleger Patrick Frey, dem Sohn des Künstlers, André Grab, und dem Sammler Christoph Kappeler. Gemeinsam erkunden wir die traumwandlerischen Welten dieses «Kindes der Nacht».
«Ich bin ein Kind der Nacht, umgeben von Weichheit und schüchterner, oft aber auch drohender, unsicherer und stumpfer Leere. Donner und Blitz haben an meiner Wiege Paten gestanden, und man sagt der Tag habe mich gezeugt.»
Diese Zeilen stammen aus einem Gedicht des Schweizer Malers Walter Grab (1927–1989) von 1952. Sie klingen wie ein Echo seiner Bildwelten, die zwischen Licht und Schatten, Ordnung und Chaos, Sanftheit und Härte changieren; aber auch seiner eigenen Lebenswelt, die von Höhen und Tiefen durchwirkt war.
Der in Affoltern am Albis (ZH) geborene Künstler wandte sich nach seinen Reisen nach Paris um 1948/50 dem Surrealismus zu. Von den Bildwelten eines Giorgio de Chirico, Salvador Dalí, André Masson oder René Magritte beeinflusst, entwickelte er seine eigene, unverkennbare Bildsprache: In dieser verschränken sich konstruktiv-geometrische Elemente mit figurativ-narrativen Motiven zu bühnenhaften Raumszenerien.
In der Öffentlichkeit galt Grab als melancholischer Einzelgänger, Choleriker und Suchtmensch. Ebenso war er ein begnadeter Maler und ordnungsverliebter Feingeist. So gab ihm die Kunst immer wieder Halt, wenn sein Leben in Schieflage geraten war. In nahezu manischer Schaffenskraft schuf er über 1300 Gemälde, Papierarbeiten und Assemblagen. Dieses beeindruckende Lebenswerk wurde 2022 erstmals in einem Catalogue raisonné (Werkverzeichnis) zusammengeführt, kunsthistorisch aufgearbeitet und von der Edition Patrick Frey verlegt.
Das Kunstmuseum Olten baut auf dieser Forschungslage auf und richtet dem Künstler 2024 – in Zusammenarbeit mit der Herausgeberschaft des Katalogs – die erste monographische Ausstellung in einem Schweizer Museum aus. Denn Olten besitzt seit 2010 als Schenkung des dem Museum wohlgesinnten Zürcher Sammlerpaars André Boss und Irma Conrad-Pastori selbst eine Gruppe wichtiger Gemälde des Künstlers. Diese waren sowohl in der von Julia Schallberger, der Co-Kuratorin unserer Ausstellung, mitverantworteten Überblicksschau zum Schweizer Surrealismus im Aargauer Kunsthaus Aarau 2018 als Leihgaben zu sehen, wie auch in mehreren Oltner Sammlungsausstellungen der letzten Jahre.
Von der hohen Qualität dieses zu Unrecht in Vergessenheit geratenen «Nachkriegssurrealisten» überzeugt, zielt das Kunstmuseum Olten mit der ersten monographischen Ausstellung zu Walter Grab auf seine Wiederentdeckung. Der Künstler soll in seiner eigenen Zeit verortet werden und das Wirkungspotential seines Schaffens darüber hinaus im interdisziplinären Austausch mit zeitgenössischen Kunst- und Kulturschaffenden im Hier und Jetzt befragt werden.
Künstler*innen
Walter Grab (1927–1989)
1927 in Affoltern a. A. geboren, wächst Grab in kleinbürgerlichem Milieu auf. Als junger Buchhalter besucht er Malkurse bei Walter Jonas und Arne Siegfried.
Auf Reisen nach Paris (1948–1950) kommt er mit André Breton und dem Surrealismus in Berührung. Nach der Rückkehr lässt er sich in Zürich als Künstler nieder.
1950 heiratet er Stefanie Lumpert. Zum Broterwerb arbeitet er als Rahmenmacher in der Galerie Palette, wo er auch ausstellt.
Mit der Beteiligung an der Ausstellung «Surrealistische Malerei in Europa» in Saarbrücken 1952 gelingt der Durchbruch. Im selben Jahr wird Sohn André Grab geboren. Die Familie bezieht eine kleine Wohnung Zürich Wipkingen, das Wohnzimmer dient als Atelier.
1955–1957 nähert sich Grab den Zürcher Konkreten an. Er knüpft ausserdem Kontakt zur Künstlerkolonie an der Zürcher Südstrasse. Die Freundschaft mit der Künstlerin Eva Wipf inspiriert ihn zu ersten Assemblagen.
Ein Karrierehoch bildet 1965 die Einladung an die 8. Biennale in Sao Paolo, gemeinsam mit Meret Oppenheim. Doch Höhenflüge werden stets von Talfahrten abgelöst. In der Öffentlichkeit gilt Grab als Choleriker und Suchtmensch.
1967/68 folgt eine kurze politische Phase, begleitet von Collagen mit teils anarchistischen Motiven.
1982 erhält Grab eine Krebsdiagnose, arbeitet aber bis zum Tod 1989 unermüdlich weiter und hinterlässt ein beeindruckendes Werk von rund 1300 Gemälden, Papierarbeiten und Assemblagen.
Zeitgenössische Kunstschaffende
Werke von sechs zeitgnössischen Kunstschaffenden öffenen in der Ausstellung die Tür in die Gegenwart und vermitteln die bis heute ungebrochene Kraft des Surrealismus als künstlerische Haltung:
Jonas Baumann (*1983)
Daniel Bracher (*1971)
Félicia Eisenring (*1985)
Olivia Etter (*1956)
Francisco Sierra (*1977)
Lex Vögtli (*1972)
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